Geschichtliches

GESCHICHTLICHES

Kurz nach der Eröffnung der Gotthardbahn, wurde 1886 mit dem Bau einer ersten Festung am Gotthard begonnen. Bis 1920 wurde die Alpenfestung ständig erweitert. Nach dem Ersten Weltkrieg schein die Gefahr eines grossen Angriffs gebannt, und die Alpenfestung verlor an Bedeutung.

Um Angriffe von Nachbarländern abzuwehren, entstanden ab 1930 in ganz Europa Festigungswerke. Frankreich erbaute die Maginot-Linie, ein Verteidigungssystem, das entlang der Grenze aus einer Linie von Bunkern bestand. Damit lebte der Festigungsgedanke auch in der Schweiz wieder auf.

1934 folgte die Aufforderung an den Bundesrat, der Befestigungsfrage mehr Beachtung zu schenken. 1935 wurde das Büro für Befestigungsbauten wieder ins Leben gerufen. Ab 1937 war die Schweiz wieder in der Lage, dem Stand der Technik angepasste Befestigungsanlagen zu errichten. Im Frühjahr 1940 wurden die Pläne für das Réduit erstellt.

Image006_7
Lenkwaffenstellung BL-64 auf dem Gubel
reduit_geschichtl_re
Aufenthalts- und Schlafraum im MG-Bunker

ENTSTEHUNG RÉDUIT

Eine rund um die Schweizergrenze umfassende Verteidigung war aussichtslos. Deshalb wurde, wie General Guisan am Rütlirapport vom 25. Juli 1940 mitteilte, der hauptsächliche Verteidigungsraum auf das Alpengebiet als Réduit reduziert. So baute die Schweizer Armee während des Zweiten Weltkriegs zwischen 1941 und 1945 ein ganzes System von Verteidigungs- und Festungsanlagen. Steilwände, Schluchten, Schnee, Eis und Berge sollten zu Verbündeten der Armee werden. Im Notfall wären wichtige Alpentunnels und -übergänge gesprengt worden.

Das gesamte Réduit umspannte einen breiten Alpenraum, der sich an der Nordgrenze vom Unterwallis, über den Thuner- und Vierwaldstättersee, quer durch den Kanton Zug bis hin zur Linthebene erstreckte. Die Südgrenze des Réduits verlief von der französischen Grenze entlang der Landesgrenze mit Italien. Grössere Geländebefestigungen erübrigten sich hier, da die wenigen Alpenübergänge leicht zu sperren waren.

Der Kern des Réduits bildete das Gotthard-Massiv. Dieser Festungskomplex war mit aller notwendigen Infrastruktur ausgerüstet. Neben den Waffensystemen wurden Unterkünfte, Küchen, Operationsstellen, Krankenzimmer und Bäckereien in die Festungen mit eingebaut.
Die Baukosten des Réduit bis zum Kriegsende 1945 beliefen sich auf rund 650 Millionen Franken, das sind in heutiger Kaufkraft etwa acht Milliarden Franken.

reduit_entstehung_li
Artilleriefestung Halsegg in Sattel
Artilleriefestung Halsegg in Sattel

ZUGER PART

Der Kanton Zug entlang der Linie Schindellegi-Raten-Oberägeri-Walchwil war an der Nordgrenze teil des Réduits. Die 6. Division mit 26‘000 Mann erhielt den Auftrag, im Einsatzraum Rigi-Zugerberg-Etzel die Zugänge zum Talkessel von Schwyz zu sperren.

Die meisten Befestigungen im Kanton Zug wurden in den 1940er Jahren gebaut und dienten nach bescheidenen Modernisierungsschritten bis Anfang der 1990er Jahre als Verteidigungsstellungen der Schweizer Armee.

reduit_zugerpart_li
Eingang zur Festungsanlage

DER KALTE KRIEG (1945 - 1991)

Schon bald nach Beendigung des zweiten Weltkrieges begannen sich zwei militärische Blöcke zu bilden. Einerseits waren dies die Siegerstaaten USA, Grossbritannien und Frankreich, die sich in der NATO zusammenschlossen und zu denen weitere westliche Staaten stiessen (auch das wiedererstarkende Westdeutschland), andrerseits die Sowjetunion, welche mit den von ihr abhängigen Satellitenstaaten (darunter Ostdeutschland) den Warschaupakt (WAPA) gründete. Diese beiden militärischen Blöcke, genannt der Westen (NATO) und der Osten (WAPA), rüsteten in den 60er- und 70er-Jahren in einer noch nie da gewesenen Intensität auf. Neben der Aufrüstung mit Atomwaffen wurden auch die konventionellen Waffen zur See, zu Land und in der Luft sowohl qualitativ weiterentwickelt wie auch ihre Anzahl enorm vergrössert. Beide Blöcke begründeten dies mit den Angriffsabsichten der anderen Seite und mit den deswegen nötigen Verteidigungsanstrengungen. Dieses ungebremste Wettrüsten und die damit einhergehende ständige Bedrohung bekamen schon bald den Namen «Kalter Krieg». Die Schweiz nahm in dieser Zeit eine politisch neutrale Haltung ein, musste aber bei Ausbruch von massiven Kampfhandlungen damit rechnen, in einen Krieg hineingezogen zu werden. Deshalb wurde die Schweizer Armee in allen Waffenbereichen konsequent auf einen sehr hohen technischen Stand inklusive ebenso hoher Bereitschaft gebracht. Die Landesverteidigung zu Land und im Luftraum musste sowohl gegen Überraschungen vorbereitet sein wie auch in länger dauernden Verteidigungssituationen so lange wie möglich bestehen können.

Für die Luftverteidigung entschieden sich Parlament und Landesregierung Anfang der 60er-Jahre für zwei Waffensysteme, welche im Verbund die Lufthoheit über der Schweiz sicher zu stellen hatten. Es waren dies das Kampfflugzeug MIRAGE IIIs und die Fliegerabwehr-Lenkwaffe BL-64 BLOODHOUND. Die zentrale Einsatzleitung in der Einsatzzentrale Flieger und Flab Truppen erfolgte über das hochmoderne Luftüberwachungssystem FLORIDA. Spezielle Mobilmachungstypen garantierten die Abwehrbereitschaft in sehr kurzer Zeit.

DJI_0001
Weltweit die einzige noch existierende vollständige BL-64 Feuereinheit
Bloodhound_geschichtliches
Fliegerabwehr-Lenkwaffe BL-64

RÉDUIT HEUTE

Im Ernstfall hätte ein grosser Teil der Schweiz mehr oder weniger preisgegeben werden müssen. Dem Réduit-Plan standen deshalb selbst hohe Offiziere kritisch gegenüber. Sie hatten allerdings kaum eine Alternative anzubieten.

Auf die Probe gestellt wurde das Réduit-Konzept nicht. Welche Abschreckungswirkung von ihm effektiv auf das Deutsche Reich ausging, ist unbekannt.

Bis Mitte der 1990er-Jahre unterlagen die Schweizer Réduits der Geheimhaltung. Seit der Armeereform von 1995 wurden viele Anlagen zurückgebaut. Einige wurden in Museen umgewandelt und können besichtigt werden. In anderen werden Waren und Einrichtungen gelagert.

reduit_heute_li
Geschützstand Raten 1, Oberägeri
Geschützstand Raten 1, Oberägeri
MHSZ_Stempel_def